KI-Agenten realistisch bewertet: Über Trends, Use Cases und Grenzen

Diese Folge nimmt KI-Agenten genau unter die Lupe – offen, ehrlich und mit einem klaren Blick auf den Stand der Technik sowie die Einsetzbarkeit in Unternehmen. Was können KI-Agenten heute wirklich leisten? Wo liegen die größten Herausforderungen? Und wie ist der Weg zu autonomen, entscheidungsfähigen Systemen?
Die Erwartungen an KI-Agenten sind hoch. Als nächste Stufe der künstlichen Intelligenz gelten sie als Schlüssel zur echten Automatisierung – und befeuern einen neuen Hype. In dieser Episode von „Ausgesprochen digital“ sprechen wir mit Martin Wunderwald darüber, wie viel davon schon Realität ist. Eine Folge, die nicht nur informiert, sondern einordnet – und dabei hilft, KI-Agenten realistisch zu bewerten.
Im Gespräch mit Martin Wunderwald über die Entwicklung und den Einsatz von KI-Agenten
Martin Wunderwald, Principal AI Consultant bei der Telekom MMS, begleitet Unternehmen seit Jahren bei der Einführung und Weiterentwicklung von KI-Technologien. Mit seiner Erfahrung liefert er nicht nur technische Einblicke, sondern auch strategische Orientierung – und zeigt, wie Unternehmen den Einstieg mit KI-Agenten sinnvoll gestalten können. Besonders wichtig ist dabei die effiziente Bereitstellung von KI-Agenten-Lösungen, um eine schnelle und reibungslose Integration in bestehende Unternehmensprozesse zu ermöglichen.
Bereits in einer früheren Podcastfolge sprach er über „KI-Avatare im Alltag: Wie digitale Assistenten Akzeptanz finden“. In der aktuellen Episode bringt er Klartext in ein Thema, das oft von Buzzwords überlagert wird: Agentic AI.
Statt Visionen zu verkaufen, ordnet er nüchtern ein, wo KI-Agenten heute stehen, welche Use Cases realistisch sind und warum der Weg zur autonomen Entscheidungsfähigkeit von KI-Systemen kein Selbstläufer ist. Unternehmen profitieren dabei von einer Vielzahl an Lösungen, die die Entwicklung, Bereitstellung und Integration von KI-Agenten flexibel und bedarfsgerecht unterstützen.
→ Lesen Sie auch unseren umfassenden Leitfaden “Was sind KI-Agenten?“ für einen fundierten und praxisnahen Einstieg in das Thema intelligenter Assistenten im Zeitalter von Agentic AI.
- Tags: KI, KI-Agent, Agentic AI, Multi-Agenten, KI-Studie
- Dauer der Folge: 37:11 Minuten
- Transkript: >barrierefreies PDF
Trends: Was den Markt bewegt
Agentic AI beschreibt eine neue Generation von KI-Systemen, die nicht nur auf Anfragen reagieren, sondern eigenständig handeln. Im Zentrum steht die Fähigkeit, Werkzeuge zu wählen, Schnittstellen zu bedienen und Entscheidungen zu treffen – basierend auf dem Kontext und verfügbaren Daten. Damit gehen KI-Agenten weit über klassische Sprachmodelle hinaus.
Die Technologie entwickelt sich rasant. Unternehmen investieren gezielt in die Entwicklung von Agentensystemen, die sich nicht nur selbst organisieren, sondern zunehmend auch miteinander kommunizieren können. Erste Ansätze für sogenannte Multi-Agentensysteme zeigen, wie komplexe Aufgaben durch spezialisierte Agenten arbeitsteilig gelöst werden können.
Dabei übernimmt jeder Agent eine klar definierte Teilaufgabe – etwa die Analyse von Daten, die Validierung von Informationen oder die Planung von Abläufen – und stimmt sich mit anderen Agenten ab, um gemeinsam ein übergeordnetes Ziel zu erreichen. Diese Form der intelligenten Koordination eröffnet neue Möglichkeiten für dynamische, skalierbare Prozesse in Unternehmen.
Mit dieser technologischen Entwicklung verändert sich auch die Arbeitsweise in Organisationen. Neue Rollen entstehen, etwa der „Context Engineer“, der dafür sorgt, dass Agenten zur richtigen Zeit die richtigen Informationen erhalten – ein entscheidender Faktor für die Qualität ihrer Entscheidungen. Agentic AI ist damit nicht nur ein technisches Thema, sondern beeinflusst auch, wie wir über Verantwortung, Zusammenarbeit und digitale Prozesse denken.
Gleichzeitig zeigt die MMS-Studie „Vertrauen in KI-Agenten“, wie unterschiedlich die Erwartungen an die Technologie sind. Während rund 55 % der Befragten den Begriff KI-Agent einordnen können, sehen über 75 % der IT-Entscheider großes Potenzial – etwa zur Effizienzsteigerung und Automatisierung. Endnutzer hingegen sind noch zurückhaltend. Dieses Akzeptanz-Gap zu schließen, wird zur zentralen Herausforderung für eine erfolgreiche Einführung.
Wie denken Entscheider und Nutzer über KI-Agenten?
Antworten liefert die aktuelle Studie „Vertrauen in KI-Agenten“ der Telekom MMS. Sie zeigt, warum Akzeptanz und Transparenz zentrale Erfolgsfaktoren sind.
Zur StudieAuch bei den Einsatzfeldern zeigt sich ein klarer Trend: Erste sinnvolle Anwendungen finden sich vor allem in horizontalen Hilfsprozessen – etwa in Buchhaltung, Vertrieb oder Kommunikation. In der Kernwertschöpfung, etwa in der Produktion, braucht es hingegen noch technologische Reife und Vertrauen in die Systeme.
Autonomie ist dabei kein Schalter, sondern ein gradueller Prozess. Mehr „Agency“ verspricht größere Hebel, erhöht aber auch die Anforderungen an Governance und Kontrolle. Der realistische Weg: klein anfangen und entlang bestehender Workflows schrittweise Entscheidungen an Agenten übergeben.
Der Markt entwickelt sich entlang zweier Stoßrichtungen: Einerseits entstehen No-/Low-Code-Plattformen wie n8n oder Microsoft Power Automate, die LLMs als Entscheidungsknoten in automatisierte Workflows integrieren. Andererseits gewinnen maßgeschneiderte, domänenspezifische Agenten an Bedeutung – etwa für technische Konfigurationen oder komplexe Entscheidungsprozesse in spezialisierten Bereichen.
Use Cases für KI-Agenten: Was heute schon gut funktioniert
Die Einsatzmöglichkeiten von KI-Agenten sind vielfältig – und oft näher am Alltag, als man denkt. In folgenden Anwendungsfeldern zeigen sie bereits, wie sie Prozesse vereinfachen, Entscheidungen automatisieren und Schnittstellen bedienen können:
Automatisierte Terminplanung
Was auf den ersten Blick simpel wirkt, wird schnell komplex, sobald Prioritäten, private Termine, Rollenrechte und abteilungsübergreifende Abhängigkeiten ins Spiel kommen. Ein KI-Agent kann Kalender prüfen, freie Slots erkennen, relevante Personen einladen und dabei individuelle Präferenzen berücksichtigen. Genau hier zeigt sich das Potenzial – aber auch der Entwicklungsaufwand, der hinter scheinbar einfachen Aufgaben steckt.
Logistik mit Multi-Agent-Systemen
In der Logistik kommen bereits sogenannte Multiagentensysteme zum Einsatz. Spezialisierte Agenten übernehmen jeweils eine Teilaufgabe – etwa das Scannen und Validieren von Frachtbriefen, den Datenabgleich mit internen Systemen oder die Routen- und Ressourcenplanung. Das Ergebnis eines solchen Multi-Agent-Systems: bessere Datenqualität, schnellere Entscheidungen und ein hochautomatisierter Workflow, der sich flexibel an neue Anforderungen anpassen lässt.
Spezialisierte Multi-Agent-Systeme für Nischenprozesse
Individuell entwickelte, domänenspezifische Agenten können die Komplexität im Hintergrund halten und Fachwissen für alle zugänglich machen. Beispielsweise können Agenten technische Anforderungen über ein Chat-Interface aufnehmen und daraus automatisiert Infrastrukturentscheidungen ableiten – etwa zur Skalierung, Redundanz oder Softwareauswahl.
Office-Automation
KI-Agenten können klassische Office-Automatisierung erweitern: Sie treffen eigenständig Entscheidungen und bedienen Tools wie E-Mail, Kalender, Chat-Programme, APIs oder sogar komplette Desktops. Assistenten wie Copilot entwickeln werden sich zunehmend zu „agentischen“ Helfern. Sie können dann nicht nur beraten, sondern auch Schritte eigenständig ausführen. Entscheidend sind dabei Toolzugriffe, Rechtekonzepte und klar definierte Grenzen.
Und was mich da immer wieder wundert, ist, dass diese Ansprüche an solche KI-Systeme massiv hoch sind, was die ausgebrachte Qualität angeht und das wird auch für Agenten so sein, was die Entscheidungsqualität angeht oder die Informationsgehalt et cetera. Martin Wunderwald, Principal AI Consultant | Telekom MMS
Grenzen: Was KI-Agenten (noch) nicht leisten können
Agentic AI bietet großes Potenzial – doch die Technologie steht noch vor wesentlichen Herausforderungen.
- Transparenz und Governance
Die Entscheidungsprozesse von KI-Agenten sind häufig schwer nachvollziehbar. Ein etabliertes Governance-Framework fehlt bislang, was Verantwortlichkeiten und Prüfbarkeit erschwert. Der EU AI Act setzt zwar erste rechtliche Rahmenbedingungen, doch praxisnahe Standards für Transparenz und Audits sind noch in Entwicklung. - Datenqualität und Schnittstellen
Agenten sind auf hochwertige, strukturierte und kontextrelevante Daten angewiesen. Unvollständige oder überladene Informationen können zu Fehlentscheidungen führen. Ebenso sind klare API-Definitionen sowie Rollen- und Rechtemodelle essenziell – ohne diese Grundlagen scheitert die Umsetzung trotz guter Absichten. - Autonomie vs. Kontrolle
Mit wachsender Entscheidungsfreiheit steigt das Risiko von Fehlverhalten. Unternehmen müssen sorgfältig abwägen, wie viel Kontrolle sie abgeben wollen. Besonders in sensiblen Bereichen wie Buchhaltung oder HR ist ein vorsichtiger Umgang unerlässlich. Es braucht klare Rahmenbedingungen, um Chancen zu nutzen und Risiken zu minimieren. - Nicht-Determinismus und Testbarkeit
Künstliche Intelligenz liefert nicht immer identische Ergebnisse, sondern gibt kontext- und variabilitätsbedingt unterschiedliche Antworten. Für kritische Geschäftsprozesse sind daher umfangreiche Tests und Benchmarks notwendig – deutlich aufwendiger als bei klassischen, regelbasierten Systemen. - Kein Produkt von der Stange
Die Entwicklung von Agenten ist ein komplexes Softwareprojekt. Architektur, Kontextdesign, Evaluierung und Lifecycle-Management sind zentrale Bausteine. Wer zu schnell skaliert, riskiert Enttäuschungen – realistisches Erwartungsmanagement ist daher unerlässlich.
KI ist ... nicht deterministisch ... ein Unternehmer muss das Risiko eingehen. Martin Wunderwald, Principal AI Consultant | Telekom MMS
Fazit: Starte klein, denke groß
Martin Wunderwald macht Mut – und dämpft zugleich überzogene Erwartungen. KI-Agenten sind ein bedeutender Schritt in der Weiterentwicklung von Automatisierung, aber sie sind kein fertiges Produkt „von der Stange“. Ihr Potenzial liegt nicht in vollautonomen Systemen, die alles übernehmen, sondern in klar definierten Aufgaben, die sie kontextsensitiv, nachvollziehbar und sicher ausführen können.
Wer heute mit KI-Agenten beginnt, sollte strategisch vorgehen: mit kleinen, risikoarmen Use Cases starten, Autonomie schrittweise erhöhen und technische wie organisatorische Leitplanken früh mitdenken. Dazu gehören Rollen- und Rechtekonzepte, Sandboxen, Protokollierung und Human-in-the-Loop-Mechanismen. Ebenso wichtig ist die Qualität des Kontexts – denn gute Entscheidungen entstehen nur aus relevanten, gut kuratierten Informationen.
Für den Einstieg in KI-Agenten empfiehlt Martin Wunderwald einen pragmatischen Ansatz:
- Klein anfangen: Bestehende Prozesse analysieren und gezielt Teilaufgaben agentisch lösen lassen.
- Geeignete Tools wählen: Plattformen wie N8N oder Power Automate ermöglichen No-Code-Workflows mit KI-Unterstützung.
- Nutzen statt Hype bewerten: Nicht jedes Tool mit „Agentic AI“-Label hält, was es verspricht. Testphasen und klare Zieldefinitionen sind entscheidend.
- Vor dem Roll-out realitätsnahe Testszenarien fahren – besonders das Chat-/Interaktionsverhalten prüfen
So werden aus Fragezeichen über KI-Agenten Schritt für Schritt Ausrufezeichen – und aus Pilotprojekten echte Effizienz- und Qualitätsgewinne.
Wir wünschen gute Unterhaltung!
Moderiert wird diese Folge von Steffen Wenzel, Mitgründer und Geschäftsführer von politik-digital und Stefanie Liße, Senior Sales Managerin bei Telekom MMS.